Trauergedicht (Elegeidion) für den Arzt Johann(es) Thal(ius)
Gr. / Lat.
O 1v Elegeidion L(aurentii) Rhodomanni Kleine Elegie des Lorenz Rhodoman in immaturum obitum sollertissimi physici et felicissimi auf den unzeitigen Tod des höchst geschickten Naturkundlers und höchst erfolgreichen medici, d(omini) Ioannis Thalii, qui 30. Iunii, anno 1583 Arztes, Herrn Johannes Thalius,1 der am 30. Juni im Jahr 1583 Anm.:1Ein gelehrter Arzt aus Nordhausen, offenbar ebenfalls ein Philhellene; er schrieb nach dem Unfall auf seinen eigenen Tod ein anakreontisches Epikedion; Neander benachrichtigte über seinen Unfall den Crusius, der auch kurz vor seinem Tod noch einen handschriftlichen Brief von Thalius selbst erhielt und ein eigenes Gedicht verfasste; diese Stücke sind auf den vorigen Seiten von Neanders Orbis terrae erhalten. dextrum crus e pilento lapsus miserabiliter per- sein rechtes Bein, als er vom Wagen fiel, in bemitleidenswerter Weise brach fregit et postea 18. Iulii pie et placide ani- und danach am 18. Juli fromm und ruhig seine Seele mam Christo reddidit Christus zurückgab 1 Φεῦ φεῦ, ὡς χαρίεντα προώριος ἔσβεσε πότμος‒‒|‒||◡◡|‒◡||◡|‒◡◡||‒◡◡|‒◡ Eheu, quam Thalium mors immatura peremit,‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒‒|‒◡◡|‒◡ Weh weh, wie begabt war doch Thallius,2 den ein vorzeitiges Geschick auslöschte, Sim. (gr.) φεῦ φεῦ] = Theoc. 4,26; 5,86; 27,15 .55; vide etiam Rhod. Arion 921 ; Rhod. Luth.Dor. 43 Sim. (lat.) mors immatura] cf. eadem sede Lucr. 5,221; Catull. 96,5 et al. Anm.:2Rhodoman vermengt die Worte τὸ θάλος „die Blüte“ und ὁ θαλλός „der junge Zweig“ und bringt sie mit dem Namen des Arztes in Verbindung, der sonst nur mit einem -l‑ geschrieben und mit kurzem -a‑ gemessen wird, so im parallelen Gedicht des Crusius. 2 Θάλλιον, ὃς πολλοῖς θάλλος ἔδωκε βίου·‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ qui vitam multis reddere doctus erat:‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ der so vielen die strahlende Blüte ihres Lebens (zurück)gab;3 Anm.:3Neander berichtet von einem Vorfall, als Rhodoman noch ein Schüler in Ilfeld war. Dort habe er sich an einem Zaun so schwer verletzt, dass Neander den Thalius als Arzt aus Nordhausen habe rufen lassen. Siehe Wiedasch 1853, 13; Müller 1863, 4. [SW] 3 ὃν θάλλειν χρέος ἦεν ἐς ἀπλήτους ἐνιαυτούς,‒‒|‒||◡◡|‒◡||◡|‒‒|‒◡◡|‒‒ par erat in seros quem vivere Nestoris annos:‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ es wäre angemessen gewesen, dass er noch auf unzählige Jahre strahlend geblüht hätte; Sim. (lat.) vivere Nestoris annos] = Mart. 11,56,13; vide etiam Rhod. Coc.Ion. 1, 219sq. (exaequent Pyliam quoque vestra senectam / secula); Rhod. Carm. 2, 47 (Nestoreum concedat Iupiter aevum); Rhod. Goth. 80 (vivas Pylii tempora longa senis); Rhod. Ilf.Herc. 435 (Nestoreos sanum et conservet in annos) 4 ὅσσον ἀκεστορίης ἦν κλέος, ἦν ὄφελος.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ tam clarus medica, tam bonus arte fuit.‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ ein so berühmter und nützlicher Mann war er in der Medizin. 5 ἦ γὰρ ὁ, τειρομένοισιν ὅτ’ ἤϊε κῆρας ἀλέξων,‒◡◡|‒◡◡|‒◡||◡|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ scilicet afflictis properans avertere parcas ‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Denn fürwahr, als dieser hinging, von bedrängten Kranken die Todesgöttinnen abzuwehren, Sim. (gr.) κῆρας ἀλέξων] cf. eadem sede Q.S. 6,307 (ἀπὸ Κῆρας ἀλέξαι) 6 Ἱππολύτου στυγεραῖς αὐτὸς ἔκυρσε πάθαις,‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ Hippolyti saevis incidit ipse malis.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ traf er selbst auf das furchtbare Geschick des Hippolytos 7 μαινομένων δ’ ἵππων δίφρου πέσεν, ὀστέα δ’ οἰκτρῶς‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ crus fregit (miserum!) rabie revolutus equorum ‒‒|‒||◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡|‒◡◡|‒◡ und fiel vom Wagen, als seine Pferde durchgingen, zerschlug sich in bemitleidenswerter Weise Sim. (lat.) rabie … equorum] ~ Ov. met. 15,521 (de Hippolyto) 8 κνήμης συντριφθεὶς ἧκεν ἄημα Θεῷ.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ e curru: hinc animam misit in astra piam.‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ seinen Beinknochen und sandte seinen Atem zurück zu Gott. 9 παύεο μεμφομένη, Φυσική, Χειρουργίδα τέχνην·‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ desine Chirurgi, Physice, culpare labores:‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ O Naturkunde (Physik), höre auf, die chirurgische Kunst zu tadeln;4 Sim. (gr.) παύεο μεμφομένη] cf. Nonn. D. 4,397 (παύεο … τρομέων); Apoll. Met.Ps. 89,31 (παύεο χωόμενος)Anm.:4Man versuchte Thalius vergeblicherweise noch vor seinem Tode zu operieren. Daher macht die Physik der Chirurgie Vorwürfe. Siehe Müller 1863, 12f. 10 Μοῖρα τόσον μογεροῖς ἀνδράσι φῶς φθονέει.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ Sors tantum terris invidet ipsa bonum.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ die Moire [Todesgöttin] ist es, die den mühebeladenen Menschen ein so großes Licht (wie Thallius) missgönnt. Crit. (gr.)τάσον ed. 11 ἔνθα μὲν αἰάζουσι φίλοι, ποθέουσι νοσεῦντες,‒◡◡|‒‒|‒◡||◡|‒||◡◡|‒◡◡|‒◡ luget amica cohors Thalium, desiderat aeger‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Da jammern seine Freunde, und die Kranken vermissen ihn; Crit. (gr.)ποτέουσι ed. 12 ἐν δὲ χορῷ μακάρων Θάλλιος εὐθαλέει.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ plurimus: is divum gaudet adesse choris.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ Thallios aber blüht, herrlich strahlend, im Chor der Seligen [Himmelsbewohner]. Sim. (gr.) χορῷ μακάρων] cf. Nonn. D. 21,252 (μακάρων χορόν)Sim. (lat.) adesse choris] cf. Hor. ars 204