Freundschaftsgesuch an Thomas Mauer/Mawer
Lat.
Ff 1v Eximio Musarum Chari‑ An einen ausgezeichneten Verehrer tumque cultori D(omino) Ma‑ von Musen und Grazien, Herrn gistro Thomae Mauero Silesio, Scholae Lu‑ Magister Thomas Mauer1 aus Schlesien, den hochwürdigen Rektor Anm.:1Dieser wird im Bioporikon (vgl. bes. 236 θευλογίης κῆρυξ ἀγαθὸς, Mουσουργὸς ἀγαυός) als wichtigster Förderer bezeichnet, der Rhodomans Berufung als Rektor nach Lüneburg einleitete. Möglicherweise deutet Mauer dieses Vorhaben am Ende seines Antwortbriefs an Rhodoman bereits an. naeburgensis ad S(anctum) Mich(aelem) Rectori di‑ der Lüneburger Schule zu Sankt Michael, gniss(imo), domino suo omnibus huma‑ seinen Herrn, der mit allen Ehrerweisungen humanistischer nitatis officiis nunquam non Bildung zu jeglichem Zeitpunkt colendo s(alutem) 2 Verehrung beansprucht, einen Gruß Anm.:2Dieser Gedichtbrief ist mit deutlichen Anklängen an Ovids Exildichtung komponiert. Wie Ovid sein geliebtes Rom in Richtung des „barbarischen“ Tomis am Schwarzen Meer verlassen musste, ist Rhodoman gezwungen, sein geliebtes Ilfeld und seinen Lehrer Neander in Richtung des „barbarischen“ Niedersachsen, konkret den Hof Ottos II. von Braunschweig-Harburg, zu verlassen. Direkte Tristien-Anklänge finden sich in V. 1, 28, 106, 133. Später gestaltet Rhodoman seinen Abschied von Harburg nach Rostock in dem Abschiedsgedicht an Andreas Saurer ebenfalls mit Anklängen zu Ovids Abschied von Rom. Siehe Rhod. Carm. 2. [SW] 1 Legimus, Aoniae quae concinuere sorores,‒◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡◡|‒‒ Ich habe gelesen, was die Musenschwestern gesungen haben, Sim. (lat.)v. 1‒3: legimus … / … / legimus] de tali anaphora cf. Call. Epigr. 25 Pf. (ὤμοσεν ... / … / ὤμοσεν, ἀλλὰ λέγουσιν κτλ. legimus] cf. eadem sede Ov. Pont. 3,5,7 Aoniae … sorores] cf. Ov. trist. 4,10,39 2 docte vir, eximiis te referente modis.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ Du gelehrter Mann, indem Du es in ausgezeichneten Versen wiedergabst. 3 legimus, et placuere pii festiva poetae‒◡◡|‒||◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Ich habe es gelesen, und die festliche Dichtung von Dir frommem Dichter 4 carmina, censurae non satis apta meae.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ fand mein Gefallen, wiewohl sie sich nicht dazu eignet, von mir beurteilt zu werden.3 Sim. (lat.) non satis apta] cf. eadem sede Ov. ars 3,706 (nostris non satis apta cibis)Anm.:3Offenbar hatte Mauer den Kontakt zu Rhodoman eröffnet, indem er ihm eine Dichtung zusandte. Rhodoman bezeichnet diese als Musenwerk, das durch Mauer nur zu Papier gebracht wurde (Topos). Offenbar war damit die Bitte einer Kritik verbunden, die Rhodoman jedoch aus Bescheidenheit zurückweist. 5 continuo veteris studii mihi cura revixit,‒◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡||‒◡◡|‒◡ Sogleich (nach der Lektüre) lebte das Interesse an meinem alten Beschäftigungsfeld (der Dichtung) wieder auf, 6 quae fuerat longis pene sepulta moris.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ das beinahe verschüttet gewesen war unter langen Verzögerungen.4 Anm.:4Gemeint ist offenbar die Anreise zum Harburger Fürsten, um dort das Amt des Prinzenerziehers anzutreten. 7 nam mihi Pieridum ductor sacra rura petenti‒◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ Denn der Anführer der Musen [Apoll] gab mir, als ich in das heilige (oder: verfluchte?)5 Gebiet (meiner neuen Tätigkeit) strebte, Anm.:5 sacra erhält vor dem Hintergrund der folgenden Ausführungen Rhodomans ein gewisses Zwielicht. 8 paucula de Clario munera fonte dedit.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ einige wenige Gaben [d.i. Deine Dichtung] vom apollinischen Quell. 9 „Quam laetor“, dixi, „quod et hic Pimpleia regnant‒‒|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ „Wie freue ich mich doch“, sagte ich, „dass auch hier die göttlichen Musen 10 numina, ubi priscae plus ruditatis adest.“‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ herrschen, wo doch noch mehr rückständige Unbildung vorhanden ist.“ 11 Scilicet, hyberno quae subiacet ora Bootae,‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ Denn tatsächlich ist die Region, die unter dem winterlichen Sternbild des Bootes liegt, 12 non ita Phoebicolis est celebrata choris‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ nicht in solchem Maße frequentiert durch die Apoll verehrenden Chöre [d.h. durch höhere Schulen] 13 terra velut, tepidum propius quae vergit ad austrum,‒◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ wie dasjenige Land, welches sich näher zum lauen Süden hinneigt [Thüringen], Sim. (lat.) quae vergit ad austrum] ~ Claud. 3 (Ruf. 1),364 ; 5 (Ruf. 2),348 ; 17 (Theod.),119 14 omnia ubi doctis sunt loca plena scholis.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ wo jegliche Region erfüllt ist von gelehrten Schulen. 15 hei, quam tristis erat mihi mens (ne, quaeso, graveris,‒‒|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Ach, wie traurig war doch mein Sinn (nimm bitte keinen Anstoß, 16 dum minus acceptis ista retracto moris),‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ wenn ich dies jetzt in einem weniger willkommenen Exkurs wieder ausführe), Ff 2r 17 quum primum patriae linquens confinia terrae ‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ sobald ich die Gefilde meines Vaterlands [Thüringen6] verließ und Sim. (lat.) confinia terrae] cf. Lucan. 3,275 (Europae mediae dirimens c. t.) et al.Anm.:6Zum Antagonismus zwischen Thüringen (Rhodomans Heimat) und seiner zeitweiligen Wahlheimat Sachsen (was das heutige Niedersachsen mit einschließt) vgl. besonders Rhodomans Aspastikon. Siehe auch Rhod. It.Lips. 151‒154 (Der Fruchtbarkeit Thüringens wird vor der Magdeburger Börde der Vorrang gegeben). 18 fixi defessos in nova rura pedes.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ meine erschöpften Füße auf neuen Boden setzte. 19 „Quos ego nunc populos adeo? quem mittor ad orbem?‒◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ „Was sind das für Völker, denen ich mich jetzt nähere? In welche Gegend werde ich geschickt? 20 quas“, inquam, „terrae nunc ego lustro plagas?‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ Was für geographische Regionen,“ so fragte ich, „durchstreife ich nun?“. 21 non honor hic studiis, non sunt commercia rerum,‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Hier gibt es keine Auszeichnung für Studien, keinen Austausch über Gegenstände, Sim. (lat.) commercia rerum] = Manil. 2,125 .346 .467 22 quae prius ingenium detinuere meum.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ der früher meinen Geist ständig in Beschlag hielt. 23 non hic templa piis video sacrata Camoenis,‒‒|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Hier sehe ich keine Tempel [d.h. Schulen] für die frommen Musen errichtet, 24 in quibus aetatis pars bona trita fuit.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ in welchen ich doch einen guten Teil meiner Lebenszeit verbrachte.7 Anm.:7Zur Weite und Verlassenheit der Lüneburger Heide vgl. auch später Rhod. It.Lips. 85‒92 (Vergleich mit der afrikanischen Wüste!). [SW] 25 ergo ego non potero vestris assuescere terris,‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Also werde ich mich nicht an Eure Gegend gewöhnen können, 26 o qui praesentem cunque tenetis humum.“‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ o Ihr, die Ihr diesen Erdboden hier bewohnt.“ 27 Talia rumpebam tacito suspiria questu –‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Solchen Jammer ließ ich, leise seufzend, hervorbrechen – 28 fallor? an et lachrymis immaduere genae?‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ Irre ich mich? Oder wurden auch meine Wangen feucht von Tränen? Sim. (lat.) lachrymis immaduere genae] ~ Ov. trist. 1,9,34 (credibile est lacrimis immaduisse genas) 29 ante oculos stabat patriae praedulcis imago ‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Vor meinen Augen stand das überaus süße Bild meiner Heimat Sim. (lat.) ante oculos stabat … imago] cf. Ov. epist. 7,69 (coniugis ante oculos deceptae stabit imago); Sil. 4,773 (et magna ante oculos stabat redeuntis imago) praedulcis] cf. Nemes. ecl. 1,22 ; Paul. Nol. carm. 27,52 et al. 30 et schola, quae docta foverat arte rudem.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ und die Schule, welche mit ihrer gelehrten Kunst meine Unbildung unterwiesen hatte. 31 heu, quotiens animo studiorum Ilfeldia nutrix‒◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡|‒‒|‒◡◡|‒‒ Ach, wie oft trat Ilfeld vor meinen Geist, die Amme meiner Studien, Sim. (lat.) heu, quotiens] = Ciris 81 ; Val. Fl. 4,378; Claud. rapt. Pros. 1,192 32 occurrit votis saepe petita meis.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ die ich oftmals in meinen Wünschen zurückersehnte! 33 Hercinii quotiens nemoris felicia dixi‒◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Wie oft bezeichnete die unwirtliche Gegend des Harzer Waldes als 34 tesqua, ubi Pegasidum nobile fervet opus,‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ glückselig, wo das edle Werk der Musen gedeiht, Sim. (lat.) fervet opus] = Ov. Pont. 3,9,22; cf. etiam Verg. georg. 4,169 35 hic ego dum clari doctrina et amore Neandri ‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡◡|‒‒ während ich hier die Gelehrsamkeit und Zuneigung des berühmten Neander 36 perfruor, ingenii dum rudis arva colo.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ genieße, während ich das Feld meiner ungebildeten Begabung beackere! 37 et iam ver quintum solidae me laudis egentem‒‒|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Und schon hatte der fünfte Frühling8 mich, der ich noch ohne die Auszeichnung eines festen (Universitäts-)Abschlusses9 war, Anm.:8Passend hierzu spricht Rhodoman in dem auf das folgende Jahr 1570 datierenden Brief an Westphal von einem sexennium.9So interpretiere ich solidae … laudis egentem. Rhodoman benötigte einen Universitätsabschluss. Diesen erhoffte er sich, wie er im Brief an Westphal schreibt, indem der Harburger Fürst seine Söhne (mit Rhodoman) an die Straßburger Universität schickte (was zu Rhodomans Enttäuschung nicht eintrat); daher ging er schließlich zum Studium nach Rostock. 38 viderat optatis delituisse locis:‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ in meiner Abgeschiedenheit an dem ersehnten Ort (Ilfeld) gesehen: Sim. (lat.) delituisse locis] ~ Ov. trist. 3,1,80 (privato d. loco) 39 advenit a celebri subito duce missus Othone,‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡||‒◡◡|‒◡ Da kam plötzlich ein Gesandter von dem berühmten Herzog Otto (II. von Braunschweig‑Harburg10), Anm.:101528–1603. Ottos II. ältester Sohn aus erster Ehe, Otto Heinrich (1555–1591), war damals 14 Jahre alt, sein Studium also absehbar. Er studierte tatsächlich in Straßburg. 40 Albidi vicinos qui moderatur agros,‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ der über die der Elbe benachbarten Felder gebietet:11 Anm.:11Ausgelassen ist offensichtlich eine Episode als Erzieher bei einem anderen ungenannten Adligen (einem Ritter, vermutlich in der Umgebung von Ilfeld) im Jahr 1567, die Rhodoman später im Bioporikon erwähnt. Siehe Rhod. Biop. 186‒192 . [SW] Ff 2v 41 qui petat exculta iuvenem de pube magistri,‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Dieser sollte aus der vom Lehrer (Neander) ausgebildeten Jugend einen jungen Mann aussuchen, 42 ut docili teneros instruat arte Duces.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ um die zarten Jungherzöge in der Kunst der Wissenschaft zu unterweisen. 43 en, ego de cunctis (fati fuit illa voluntas)‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ Und siehe da: Ich wurde von allen (das war die Bestimmung des Schicksals) 44 eligor insuetum ferre docentis onus.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ ausgewählt, die ungewohnte Last einer Lehrperson zu tragen.12 Anm.:12Nach dem Widmungszusatz zur Ilfelda hat Rhodoman faktisch bereits in Ilfeld Aufgaben eines „Hilfslehrers“ übernommen. Es handelt sich offensichtlich hier um ein Argument seiner versuchten recusatio gegen die neue Aufgabe. Nach der Schilderung, die hier gegeben wird, scheint der Gesandte Ottos II. keinen bestimmten Ilfelder Schüler im Blick gehabt zu haben, sondern es war Neander selbst, dessen Wahl auf Rhodoman fiel. 45 multa quidem contra luctor: suadente Neandro ‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Ich rang freilich heftig dagegen: Aber auf Anraten Neanders 46 haec tamen invitis gressibus arva peto‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ suchte ich dennoch mit unwilligen Schritten diese Gegend auf 47 tunc, cum tristis hyems tam frigora saeva cieret,‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒◡ gerade zu einer Zeit, als der harte Winter so grausame Kälte hervorbrachte, Sim. (lat.) cum tristis hyems tam frigora saeva cieret] cf. Verg. georg. 4,135 (et cum tristis hiems etiamnum frigore saxa [sc. rumperet]); Ov. trist. 3,10,9 (at cum tristis hiems squalentia protulit ora) 48 qualia gens meminit Teutona nulla prius,‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ wie sie in Deutschland zuvor nie erlebt wurde – 49 me cum patriae amor traheret, cum cura parentum,‒‒|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ obwohl mich die Liebe zu meiner Heimat zurückzog und die Sorge um meine Eltern13 Anm.:13Es muss sich um den dritten Ehemann der Mutter gehandelt haben (Rhodomans Vater starb 1551, sein erster Stiefvater 1563 gemäß Bioporikon), der hier mit seiner Mutter zusammen brachylogisch als parentes bezeichnet wird. 50 cum commilitii membra probata mei,‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ und die bewährten Vertreter meiner Kommilitonenschaft 51 imprimisque aegre faceret, quod ab ore magistri‒‒|‒‒|‒||◡◡|‒||◡◡|‒◡◡|‒‒ und es mir insbesondere Leid verursachte, dass Gott mir befohlen hatte, mich von der Stimme 52 complexuque Deus iusserat ire pio.‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ und der liebevollen Unterweisung meines Lehrmeisters zu entfernen. 53 una tamen longe mihi res tristissima visa est,‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Ein einziger Umstand jedoch schien mir bei weitem am traurigsten. 54 quod socios studii non habiturus eram,‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ dass ich keine Studiengefährten mehr haben sollte, 55 cum quibus aequarem curas, consortia quorum‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ mit denen ich meine Sorgen teilen könnte und deren Gesellschaft 56 ingenium possent extimulare meum.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ meine Gedanken anregen könnten. 57 nam veluti duris aliqua est concordia fabris,‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Denn wie es auch unter ungebildeten Schmieden irgendeine Verbundenheit gibt, 58 participes studii sic studiosus amo.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ so liebe ich, der ich den wissenschaftlichen Studien ergeben bin, die Teilhaber an diesen Studien. 59 his ita dum curis agitor multumque requiro‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Während ich von diesen Sorgen getrieben wurde und in meinem Herzen mich heftig 60 pectore convictu pignora digna meo,‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ sehnte nach Freunden, die meiner Gesellschaft würdig sind, 61 Lossius unus erat, cuius clarissima fama‒◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡ gab es allein (Lucas) Lossius,14 dessen hochberühmte Reputation Anm.:141508–1582, ein berühmter Theologe und Hymnologe der Reformationszeit, Schwiegervater des Thomas Mauer. 62 hac mihi prima micat syderis instar humo.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ in diesem Land mir vor allen anderen wie ein Stern entgegenleuchtet. Sim. (lat.) micat syderis instar] cf. Claud. 26 (Get.),458sq. (sideris instar / emicuit Stilichonis apex) 63 huius amicitiam tenui mihi carmine iungunt,‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ Dessen Freundschaft verschaffen mir durch ein kleines Gedicht15 Anm.:15Dieses Gedicht Rhodomans an Lossius ist bislang nicht identifiziert. 64 nectere quae possunt corda remota, deae.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ die göttlichen Musen, die voneinander entfernte Herzen zu verbinden vermögen. Ff 3r 65 nec dubios numerat me Lossius inter amicos ‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ Und Lossius zählt mich unter seine unzweifelhaften Freunde Sim. (lat.) dubios numerat … inter amicos] cf. Ov. Pont. 4,9,35 (praesentes inter numerarer amicos); Mart. 1,39,1 (raros inter numerandus amicos) 66 atque animum, cuius non videt ora, probat.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ und billigt meinen Geist, dessen Gesicht er nicht sieht. 67 gratia sit vobis, Parnasia numina, quod me‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ Dank sei Euch, göttliche Musen, dass ihr dafür sorgt, 68 eximiis facitis mente placere viris.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ dass ich bei geistig herausragenden Männern Gefallen finde. 69 nec querar excultae posthac consortia turbae‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Und ich will nicht mehr klagen, dass mir die Gesellschaft eines kultivierten Freundeskreises 70 deesse: sat est mihi, si Lossius unus adest.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ fehlt; es reicht mir, wenn allein Lossius da ist. 71 Lossius unus adest: iam non mihi terra videtur‒◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒◡ Lossius ist als Einziger da; und schon erscheint mir das Land nicht mehr 72 barbara, quae fuerat barbara visa prius.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ barbarisch, das mir zuvor barbarisch erschienen war. 73 ipse mihi plaudo de tanto laetus amico,‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒‒||‒◡◡|‒‒ Ich selbst bekunde mir Beifall aus Freude über einen so bedeutenden Freund, Sim. (lat.) ipse mihi plaudo] cf. Hor. sat. 1,1,66 sq. (mihi plaudo / ipse) 74 pulsus et ex imo pectore moeror abit.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ und die Trauer weicht vertrieben aus dem Innersten meiner Brust. 75 non mihi desertus videor: sors mitior ecce‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Nicht mehr komme ich mir verlassen vor: Siehe, ein milderes Geschick 76 pertulit ad nostras carmina vestra manus.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ hat Eure (des Lossius und Deine) Gedichte zu unseren Händen übertragen. 77 quae dum nota mihi facio bis terque revolvens,‒‒|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Während ich mich mit diesen vertraut mache, sie zwei‑ und dreimal nachlesend, Sim. (lat.) bis terque revolvens] cf. Mart. 6,64,15 (bis terque revolvere Caesar) 78 notitiam studui prorsus inire tuam.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ bemühte ich mich, geradewegs in Deinen Bekanntenkreis zu gelangen. 79 gratulor inde mihi, quod et hoc ceu cardine rerum ‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Dafür beglückwünsche ich mich selbst, dass mir hier, gewissermaßen auch an einem Wendepunkt meines Lebens, Sim. (lat.) cardine rerum] = Verg. Aen. 1,672 et al. 80 copia noscendi sit data prima tui.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ erstmals Gelegenheit gegeben wurde, Dich kennenzulernen. 81 o quam gratabor mihi! quam felicibus horis‒‒|‒‒|‒||◡◡|‒‒|‒◡◡|‒‒ Oh, wie glücklich schätze ich mich! Als wie glücklich werde ich die Stunden bezeichnen, 82 me dicam longas huc iniisse vias,‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ in denen ich den langen Weg hierher angetreten habe,16 Anm.:16Paradoxe Wendung: Die Freundschaft mit Mauer lässt den Weg nach Niedersachsen, den Rhodoman nur widerwillig antrat, als höchst glücklich erscheinen. 83 si non despicies nulla me in parte locandum,‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡ wenn Du mich nicht verachten und für nichtswürdig erklären wirst, 84 sed mihi prima tuus limina pandet amor!‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ sondern Deine Zuneigung zu mir die Tür öffnen wird. Sim. (lat.) limina pandet] cf. Verg. Aen. 6,525 et al. 85 ac, nisi me fallit tua mens, quae carmine vivo‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Und, wenn ich mich nicht in Deiner Gesinnung täusche, die aus Deiner lebendigen Dichtung 86 emicat et cunctis perspicienda patet,‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ spricht und die, für alle zu sehen, offensteht, 87 non passurus ero (certo confido) repulsam,‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡ dann werde ich keine Zurückweisung erleiden (ich bin voll sicheren Vertrauens), 88 sed turbae dicar pars quotacunque tuae.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ sondern werde als ein – wenn auch sehr geringer – Teil Deines Freundeskreises bezeichnet werden. Sim. (lat.) pars quotacunque] = Tib. 2,6,54 Ff 3v 89 non ego me iacto veteri ceu stemmate cretum,‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Ich prahle nicht etwa von mir, dass ich gewissermaßen einer alten Stammestafel entspringe,17 Sim. (lat.) veteri … stemmate cretum] ~ Ennod. carm. 1,4,112 (magno … stemmate cretam); 2,150,7 (celso … de stemmate cretos)Anm.:17Die gleiche Selbstabwertungstopik findet sich später etwa in der Selbstempfehlung an Gruter. Siehe Rhod. Grut. 8‒10. 90 non clarum titulis divitiisque gravem.‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ dass ich berühmt durch Adelstitel oder schwer von Reichtum wäre. 91 tam bona non adiit nostros fortuna penates,‒◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Ein so gutes Geschick hat mein Haus nie betreten Sim. (lat.) fortuna penates] = Val. Fl. 2,474; Claud. 7 (Hon. cos. III),13 92 nec bonus his dici, plebs uti stulta, volo‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ und ich möchte auch nicht aufgrund dieser Dinge für trefflich gehalten werden (wie das törichte Volk es möchte) 93 nec per res adeo viles tuus esse laboro,‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ und ich will auch nicht wegen so wertloser Umstände als Dein Freund gelten; Sim. (lat.) tuus esse laboro] cf. Hor. ars 25 (brevis esse laboro) 94 nec favor ullius, qui sapit, inde venit.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ denn keine Gunst irgendeines zum Denken befähigten Menschen ergibt sich aus so etwas. 95 sed per Castalii communia foedera coetus‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ Aber bei unserer gemeinsamen Teilhabe an der Musengesellschaft 96 te rogo, me iubeas semper ut esse tuum.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ bitte ich Dich, dass Du mich für immer Dein Freund zu sein heißt. 97 nam quae sacra colis doctis bene cognita Musis,‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ Denn die den gelehrten Musen wohlvertrauten Heiligtümer, welche Du verehrst, 98 haec quoque (sed fructu pauperiore) colo.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ diese verehre ich auch (wenngleich mit ärmlicherem Ertrag). 99 scilicet a studiis animi coniunctio pendet‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Es hängt nämlich von den Studien des Geistes eine nicht geringwertige 100 non levis, et nota manat ab arte favor.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ Verbindung ab, und aus der Kenntnis der Wissenschaft ergibt sich (gegenseitige) Zuneigung. 101 restibus addictum venator diligit; auceps‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒‒|‒◡◡|‒‒ Denjenigen, der sich den Jagdstricken hingibt, liebt der Jäger; der Vogelfänger 102 hunc colit, aucupii quem vaga cura trahit;‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ verehrt denjenigen, welchen die umhertreibende Sorge um den Vogelfang bewegt. 103 rusticus observat studiosum ruris, et illum,‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒‒||‒◡◡|‒◡ Der Bauer ist dem günstig gesonnen, der sich ebenfalls um Landbau bemüht, und vor allem jenen, 104 qui sequitur Martis praelia, miles amat.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ welcher den Kämpfen des Kriegsgottes folgt, liebt der Soldat. 105 quis culpet doctos etiam sancire tueri‒‒|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Wer würde es da verübeln, dass auch gelehrte Menschen sich darauf festlegen, untereinander 106 inter se placidi iura sodalicii?‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ das Recht zu einer einvernehmlichen Freundschaft zu pflegen. Sim. (lat.) iura sodalicii] cf. Ov. trist. 4,10,46 (de Ovidio et Propertio poetis: iure sodalicii, quo mihi iunctus erat) 107 quid, si te docti moveat quoque fama Neandri,‒‒|‒||‒|‒||◡◡|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ Dazu kommt noch, dass auch Dich der Ruhm des gelehrten Neander dazu bewegt, 108 ut me dilectis annumerare velis?‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ dass Du mich zu Deinem geschätzten Freundeskreis zählen willst. 109 qui tibi natalis devinctus origine terrae‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡◡|‒‒ Dieser [Neander] ist mit Dir verbunden durch den Ursprung in seinem Geburtsland;18 Anm.:18Zu den schlesischen Geburtsorten von Neander (Sorau) und Mauer (Triebel) vgl. die Antwort Mauers. 110 Slesorum dici gloria luxque meret.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ er verdient, als Ruhm und Licht der Schlesier bezeichnet zu werden. 111 denique non mea vota cadent sine pondere, quae me‒◡◡|‒||◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒◡◡|‒‒ Um es zusammenzufassen: Mein Wunsch wird nicht ohne Gewicht ausfallen, den ich, 112 ad te non facili carmine ferre vides.‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ wie Du siehst, Dir in einem nicht anspruchlosen Gedicht unterbreite. Ff 4r 113 nec fructum studiis adimes, qui maximus hic est,‒‒|‒||◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Und Du wirst nicht unseren Studien ihren größten Ertrag nehmen, der darin besteht, 114 esse quod humanis moribus inde datur.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ dass sich hieraus ergibt, einen menschlichen Charakter zu haben. 115 qui cum sis cunctis bonus et mitissima praestes‒‒|‒||‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Da Du ja freundlich gegenüber allen bist und einen höchst freundlichen Charakter 116 pectora, nunc a me non alienus eris.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ zeigst, wirst Du auch jetzt mir nicht abgeneigt sein. 117 nec, quem complexus socer est, gener ipse repelles,‒‒|‒‒|‒||◡◡|‒||◡◡||‒◡◡|‒‒ Und nicht wirst Du denjenigen, welchen Dein Schwiegervater [Lossius] in seine Arme geschlossen hat, als Schwiegersohn Deinerseits von Dir weisen; 118 iudicium tanti quin imitere senis.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ vielmehr wirst Du Dich dem Urteil des so bedeutenden Greises anschließen. 119 hunc ego non ideo frustra consumo laborem,‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Diese (dichterische) Mühe wende ich nicht etwa daher nutzloserweise auf, 120 ac si tam durus stet tibi corde rigor,‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ wie wenn in Deinem Herzen so unerbittliche Härte eingepflanzt wäre, 121 ut nihil obtineam, multa nisi voce rogarim‒◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒◡ um am Ende nichts zu erlangen, außer dass ich Dich zuvor in langer Rede 122 te prius; haudquaquam mens mea tendit eo.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ gebeten habe; in diese Richtung strebt meine Absicht keineswegs. 123 prima sed hoc veluti fundamina carmine pono,‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ Sondern ich lege mit diesem Gedicht gewissermaßen ein erstes Fundament, 124 queis super immotus postmodo constet amor.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ über welchem später einmal eine unerschütterliche Freundschaft errichtet werden soll. 125 ac simul ostendo, quod non res obvia cuique‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒‒||‒◡◡|‒◡ Und ich zeige zugleich, dass es nicht etwa eine jederman leicht zugängliche Sache ist, 126 doctorum studium mite parare sibi.‒‒|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ die milde Zuneigung gelehrter Menschen auf seine Seite zu bringen. 127 quippe hi iudicio pollent et provida gestant‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Denn diese (gelehrten Menschen) haben ein starkes Urteilsvermögen und einen vorausblickenden 128 pectora nec fieri mox dolitura sinunt.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ Verstand und lassen nicht zu, dass ihnen Fehler unterlaufen, die sie bald bereuen werden. 129 namque simul fructum, luctum simul addit amicus;19 ‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒◡ Denn ein (neuer) Freund verschafft einerseits Gewinn, andererseits aber auch Bekümmernis; Anm.:19Wortspiel mit fructus und luctus. [SW] 130 est opus hunc igitur cum ratione legi.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ also ist es unabdingbar, dass dieser mit Vernunft ausgesucht wird. 131 sed nihil egregii de me promittere possum,‒◡◡|‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒◡ Aber ich vermag nichts Außergewöhnliches über mich zu versprechen, 132 si dignum, fiam qui tua cura, putes.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ falls Du mich als würdig ansiehst, dein Freund zu werden. 133 sum miser et tenuis, quoquo me verto: quid ergo‒◡◡|‒||◡◡|‒||‒|‒||‒||‒◡◡|‒‒ Ich bin unglücklich und geringbegütert,20 wohin ich auch immer schaue: Welche Gegenleistung soll ich also Sim. (lat.) sum miser] = Ov. trist. 5,7,7 Anm.:20Zu Rhodomans einfacher Herkunft und Armut vgl. auch Rhod. Biop. 148f.; Rhod. Biop. 138f.267; Rhod. Asp. 122; Rhod. Grut. 11‒18 und Rhodomans Brief an den Anonymus von 1603 (mit der Werkliste!). 134 his reddam, qui me demeruere sibi?‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ denjenigen erbringen, die sich um mich verdient gemacht haben. 135 nil aliud confirmo tibi, quam reddere toto‒◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Nichts anderes kann ich Dir versichern als, dass ich von ganzem Herzen 136 pectore synceram me tibi velle fidem.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ Dir Deine aufrichtige Treue erwidern will. Ff 4v 137 si quid defuerit conatibus, aequa voluntas‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒◡◡||‒◡◡|‒‒ Wenn es bei meinen Versuchen (um Deine Freundschaft zu werben) an etwas fehlt, so wird es mein Dir gewogener Wille21 Anm.:21Vgl. das Ovid‑Zitat am Ende des Briefs an Westphal. 138 pensabit, magnum quae quoque robur habet.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ ausgleichen, der schon für sich eine große Kraft hat. 139 si superis adsim, mecum tua gratia vivet;‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒||◡◡||‒◡◡|‒◡ Wenn ich bei den Oberirdischen sein sollte, wird die Verbundenheit zu Dir mit mir leben; Sim. (lat.) gratia vivet] ~ Nemes. ecl. 1,21 (si qua tibi Meliboei g. vivit) 140 accedam Manes: non tamen illa cadet.‒‒|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|◡ wenn ich dagegen in die Unterwelt gelange, so wird jene doch nicht vergehen. 141 hos decet affectus ipsis ostendere factis‒◡◡|‒‒|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Solche Zuneigung müssen all diejenigen durch ihre bloße Handlungsweise an den Tag legen, 142 omnibus, ex tota qui bene mente volunt.‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ die (anderen) von ganzem Herzen wohl wollen. 143 talis et in nobis animus, qui novit amicis‒◡◡|‒‒|‒||◡◡|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Eine solche Einstellung eignet auch uns, die darauf bedacht ist, ihren Freunden 144 solvere pro meritis, quae decuere, piis.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ angemessene Gegenleistungen für treue Verdienste zu erweisen. 145 tandem, ne variis doctas ambagibus aures ‒‒|‒◡◡|‒||‒|‒||‒|‒◡◡|‒‒ Schließlich, um nicht durch vielfache Umschweife22 Deine gelehrte Aufmerksamkeit Sim. (lat.) ambagibus aures] = Ov. met. 3,692 (praebuimus longis … ambagibus aures)Anm.:22Die Selbstwarnung vor allzulangen Umschweifen gegenüber dem gelehrten Adressaten auch im Brief an Westphal. 146 detineam, scripti summa sit ista mei:‒◡◡|‒‒|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ in Beschlag zu nehmen, soll die kurze Zusammenfassung von meinem Schreiben folgende sein: 147 ut simul accipias et amori debita reddas;‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒‒||‒◡◡|‒‒ dass Du das, was einer Freundschaft geschuldet wird, zugleich annehmen und auch zurückgeben mögest; 148 det tibi coelituum cura valere diu.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ möge Dir die Aufmerksamkeit der Himmlischen ein langes gesundes Leben geben. 149 et tibi ni sit onus, socero quoque prome salutem,‒◡◡|‒◡◡|‒||◡◡|‒◡◡||‒◡◡|‒◡ Und wenn es Dir keine Umstände macht, erweise auch Deinem Schwiegervater (Lossius) einen Gruß, 150 dimidiumque animi (nil moror) adde mei.‒◡◡|‒◡◡|‒||‒◡◡|‒◡◡|‒ und gib diesem von meiner Seite ohne weiteres die Hälfte meiner Seele hinzu. Sim. (lat.) dimidiumque animi … adde mei] cf. Hor. carm. 1,3,8 (serves animae dimidium meae) Data ex arce Harburgica Geschrieben von der Burg zu Harburg anno 69. 15 Sept(embris) im Jahr (15)69 am 15. September T(uae) excell(entiae) Eurer Exzellenz deditiss(imus) demütigst ergeben Laurentius Rhodomanus Lorenz Rhodoman, iuniorum principum etc. der Jungfürsten (usw.) paedagogus Erzieher